Prof. Freimuth, war zu viel Musik im Physikstudium?

Shownotes

Das Studium an einer Universität gilt mancherorts als sehr theoretische Angelegenheit. In diesem milden Vorwurf mag durchaus mehr als nur ein Körnchen Wahrheit stecken. Wahrscheinlich ist es sogar eine ordentliche Portion. Und doch ist die trockene Paradedisziplin von Universitäten – das Nachdenken – gleichzeitig der erste Schritt zur Lösung vieler praktischer Probleme. Wer weiß, ob die Idee zur Schaffung des Kölner Studierendenwerks vor rund 100 Jahren nicht in einer mit Büchern vollgestopften Studierstube entstanden ist, in der ein leerer Magen knurrte. Tatsächlich war die am 23. Januar 1922 gegründete Kölner Studentenburse e.V., die Vorläuferin des heute unter der griffigen Formel „Werk“ bekannten Kölner Studierendenwerks, eine Selbsthilfeorganisation von Studierenden und Dozierenden.
Gäbe es keine Studierendenwerke, hätte man sie erfinden müssen. Sie leisten lebenspraktische oder finanzielle Hilfen für die Studierenden, die sich dank dieser Unterstützung auf ihr Studium konzentrieren können. Aus meiner Zeit als Physikstudent ist mir die Mensa als willkommene Abwechslung von manchmal durchaus zähen Vorlesungen in bester Erinnerung geblieben. 2015 hatte ich dann im Rahmen der "Multi-Kulti-Küche" die Gelegenheit, selbst in der Küche der Zentralmensa, die im Normalbetrieb 2.000 Essen pro Tag ausgibt, die Bratpfanne zu schwingen. Ich kann nicht beurteilen, ob der Kartoffelsalat und die Rheinischen Döppekooche unseres Promi-Kochteams dasselbe Niveau erreichten wie die Gerichte der Profi-Köche des Studierendenwerks. Klagen seitens der Studierenden oder der Universitätsbediensteten sind mir aber nicht bekannt, und 2016 wurde ich erneut zur "Multi-Kulti-Küche" eingeladen (diesmal gab es Rheinischen Sauerbraten und Bergische Waffeln).
Aber auch hinsichtlich meiner Unterkunft als Student habe ich vom Wohnheimangebot des Studierendenwerks profitiert. Gerne erinnere ich mich an die Zeit im Studierendendorf Hürth-Efferen zurück. Besonders gefallen hat mir die enge Gemeinschaft, die sich dort unter den Kommilitoninnen und Kommilitonen entwickelt hat. Wobei ich doch auch froh war, als ich aus einem Doppel- in ein Einzelzimmer ziehen konnte (in einer für heutige Verhältnisse immer noch sehr großen Flurgemeinschaft).
Gastronomie, Wohnen, Beratung in allen Lebenslagen, Finanzen, Kindertagesstätten – das Spektrum der Arbeit von Studierendenwerken ist heute umfangreicher denn je. In immer stärkerem Ausmaß profitieren dabei auch unsere internationalen Studierenden, Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler von diesen Services, wie die englischsprachigen Webseiten des Kölner „Werks“ dokumentieren. Besonders imponiert mir die Flexibilität, mit der das „Werk“ in außergewöhnlichen Situationen reagiert. Als Gastgeber mehrerer Impfaktionen, die Universität, Stadt und Studierendenwerk im Pandemiejahr 2021 gemeinsam durchführten, setzte das „Werk“ den Aufruf, die Impfung zu den Menschen zu bringen, auf vorbildliche Weise in die Tat um.
Als Rektor der Universität ist es mir daher sowohl besonderes Anliegen wie großes Vergnügen, den über 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kölner „Werks“ zum 100jährigen Jubiläum zu gratulieren und für ihr Engagement ein herzliches Dankeschön zu sagen. Danke, dass Sie das Leben der Universitätsangehörigen in Köln mit Herz, Hand und Verstand leichter und schöner machen.

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Gerecke: Wir begrüßen euch zu unserer Podcast-Reihe zum hundertjährigen Bestehen des Kölner Studierendenwerks, in der ehemalige Studierende aus ihrer Zeit im Studium erzählen. Dazu habe ich den Rektor der Universität zu Köln, Herr Professor Doktor Axel Freimuth zum Zoom-Gespräch eingeladen. Professor Freimuth hat 2005, übrigens im selben Jahr, als Angela Merkel Bundeskanzlerin wurde, sein Amt als Rektor angetreten. Heute erzählt er aus seinem Leben als Physikstudent in Köln, das er zum Teil auch in unserem Studierendendorf in Hürth-Efferen verbrachte. Er betreibt Hobbys, die die Studierenden vielleicht nicht als erstes mit ihrem Rektor in Verbindung bringen würden, und verrät, welches sein schönster Tag im Studium und welches sein schönster Tag als Rektor war. Zum Schluss gibt Professor Freimuth noch Ratschläge, wie das Studium im Pandemie-Modus gepackt werden kann und blickt mit uns ins Studium der Zukunft. Mein Name ist Cornelia Gerecke, ich bin die stellvertretende Leiterin der Unternehmenskommunikation des Kölner Studierendenwerks – und jetzt geht es los! Warum haben Sie ausgerechnet Physik und nicht Philosophie studiert?

Freimuth: Ja, das stand tatsächlich bei mir zur Wahl, Physik gegen Germanistik und Philosophie, als ich mit dem Abitur fertig wurde. Damals habe ich dann beides sehr gerne gemacht, war von Physik fasziniert, aber ich habe auch unheimlich gerne gelesen, Literaturstudium gemacht. Dann habe ich mich aber letztlich für Physik entschieden wegen der größeren Flexibilität, weil ich, glaube ich, die Berufschancen als besser eingeschätzt habe. Mit Germanistik und Philosophie, das roch so ein bisschen auch nach Schullehrer, und das wollte ich auf keinen Fall werden. Deshalb habe ich mich für Physik entschieden – und das habe ich auch nicht bereut.

Gerecke: Und welches Berufsziel haben Sie dann verfolgt, dass Sie sich für Physik und gegen die Philosophie entschieden haben?

Freimuth: Ehrlich gesagt ist sogar schon vorher, schon weit vorher, da war ich noch fast in der Mittelstufe, als mich jemand gefragt hat, was ich werden möchte, habe ich gesagt Wissenschaftler. Und ich war immer sehr neugierig, bin eigentlich ein relativ kreativer Mensch, und es ist auch für mich immer wichtig gewesen, selber sozusagen bestimmen zu können, wo es langgeht, meinen eigenen Fragen nachzugehen. Und mir erschien da immer Wissenschaft da genau das richtige Betätigungsfeld.

Gerecke: Nachdem Sie das Physik-Diplom in der Tasche hatten, haben Sie in Köln promoviert, sich habilitiert. Hatten Sie ein Lieblingsprojekt in Ihrer Forscherkarriere?

Freimuth: Ja, also das größte Highlight war, dass in meiner Zeit als Forscher an der Uni Köln die Hochtemperatursupraleiter entdeckt worden sind, das war wirklich eine extrem spannende Zeit, da kamen dann von verschiedenen Richtungen, in Deutschland gab es noch gar keine Probe sozusagen, unser Chef war damals in den USA, und dann kamen dann so Kochrezepte, wie man auch einen herstellen kann. Dann haben wir rund um die Uhr gearbeitet, im Keller Proben hergestellt, irgendwann war dann eine supraleitende dabei. Das war ein Riesenhype, fast alle sind sofort auf dieses Thema aufgesprungen, das hat damals wahnsinnig Spaß gemacht. Wir haben uns da wirklich von Anfang an auch gut positioniert, wir haben gute Ergebnisse gehabt, und ich fand das toll, da war man wirklich bei einer großen Entdeckung dabei.

Gerecke: Danke für diese Steilvorlage, nämlich Kochrezepte. Wie ich von meiner Kollegin, Frau Arndt-Hörder, (ehemals Schamlott), weiß, kochen Sie sehr gut, denn das haben Sie im Prominenten-Kochteam bei der Multi-Kulti-Küche, bei der internationale Studierende für ihre Kommilitonen Rezepte aus ihrer Heimat kochen, schließlich unter Beweis gestellt. Haben Sie sich denn während des Studiums selbst bekocht oder waren Sie Stammgast in unseren Mensen?

Freimuth: Während der Studienzeit war ich sowohl in den Mensen, aber ich habe auch selber schon gekocht. Ich habe im Studentenwohnheim damals gewohnt, da hatten wir auch manchmal richtig Küchendienst, das haben wir so eingeteilt, wenn wir in den Semesterferien auch da waren mit drei, vier Leuten, dann hatte einer immer für eine Woche den Dienst, in der Küche was Vernünftiges zu kochen. Das habe ich gerne gemacht, aber ich bin auch viel in die Mensa gegangen damals oder habe eben einfach nur kalte Küche dann gehabt. Heute koche ich wirklich sehr gerne und auch viel, ich habe eine Zeit lang in meinem Leben sogar jeden Tag auch gekocht und bin jeden Tag auch einkaufen gegangen, das hat sich dann später zu einem Hobby entwickelt. Damals war es noch kein Hobby, aber ich habe es immer schon ganz gerne gemacht.

Gerecke: Wer weiß, vielleicht ergibt sich ja noch einmal die Gelegenheit, dass wir auf Ihre Kochleidenschaft zurückgreifen. Sie haben im Studierendenwohnheim gewohnt, wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich für einen Wohnheimplatz zu bewerben?

Freimuth: Es war so, dass ich nach dem Abitur 15 Monate Wehrdienst gemacht habe, und mein bester Schulfreund hat direkt angefangen, weil der aus Gesundheitsgründen, er hatte eine Allergie, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, der hat sofort in Köln studiert und im Studierendenwohnheim Efferen gewohnt. Der hat mir das sehr empfohlen, dann habe ich da ein Zimmer bekommen, am Anfang aber nur ein Doppelzimmer. Das fand ich nicht so prickelnd, muss ich ganz ehrlich sagen, ich bin dann relativ schnell umgezogen in eine WG in der Südstadt, die hat sich aber irgendwann dann auch mehr oder weniger aufgelöst. Und ich bin von da aus dann ganz gerne, muss ich sagen, wieder zurück nach Efferen gegangen und habe ungefähr bis zum Diplom auch da gewohnt. Ich habe mich da sehr wohlgefühlt.

Gerecke: Vielen Dank für diesen kleinen Werbeblock für unser Studierendenwohnheim in Hürth-Efferen.

Freimuth: Ja, das war fast wie eine WG. Wir waren eine sehr gute Gemeinschaft auf den Fluren, ich habe einmal auf der zweiten, einmal auf der zehnten Etage da gewohnt, da war wirklich eine gute Gemeinschaft, das war immer sehr unterhaltsam. Und wenn man seine Ruhe haben wollte, konnte man die auch haben. Das Zimmer war klein, aber ich fand das damals alles okay, zwölf Quadratmeter war wesentlich besser als das, was man beim Bund hinter sich gebracht hat. Ich war da sehr zufrieden. Danach, ungefähr um die Zeit des Diploms, bin ich dann in eine Wohnung in Ehrenfeld gezogen.

Gerecke: Da haben Sie ja wirklich an sehr vielen Hot Locations gewohnt. Wovon haben Sie eigentlich Ihre Miete gezahlt, also wie haben Sie ihr Studium finanziert?

Freimuth: Ich bin von zu Hause unterstützt worden, habe aber regelmäßig in den Semesterferien, insbesondere in den Winter-Semesterferien gearbeitet, fast immer übrigens auch vom Studentenwerk damals angeboten, da konnte man hingehen, und da wurden Jobs angeboten. Und ich habe mich immer gemeldet als jemand, der Lastwagen bis 7,5 Tonnen fahren kann, damals war der Führerschein ja noch so. Dann habe ich da relativ schnell Angebote bekommen, und da das gut geklappt hat, haben mich die Firmen dann später auch angerufen, wann ich mal wieder Zeit hätte, dann bin ich halt Lastwagen gefahren. Im späteren Verlauf des Studiums habe ich dann über einen Freund, der Lehrer werden wollte und eine Aushilfslehrerposition hatte, der hat mich dann auch da untergebracht, die haben einen Physiklehrer gesucht in der Gesamtschule Köln-Chorweiler, da habe ich zwei Jahre lang acht Stunden die Woche dann als Aushilfslehrer gearbeitet.

Gerecke: Aber Sie sind nicht rückfällig geworden, haben gedacht, jetzt doch Lehrer?

Freimuth: Nein, ganz im Gegenteil. Ich fand es schön da, ich kam auch gut zurecht, aber für mich wäre das nichts gewesen, also ich habe mich an der Uni deutlich wohler gefühlt.

Gerecke: Und was haben Sie dafür getan, damit Sie sich auch im Studium wohlfühlen und fit bleiben? Hatten Sie Hobbys?

Freimuth: Mein größtes Hobby ist Musik, das ist auch heute noch so, das habe ich damals sehr viel gemacht. Ich habe mit einem Freund, einem Physiker, in einer kleinen Band gespielt, die wurde dann irgendwann durch meine Frau erweitert, die ich so kennengelernt habe. Das war schon am Anfang des Studiums in den ersten Semestern. Wir haben sehr viel Musik gemacht, meine Frau und ich haben später auch Musik selber aufgenommen, waren auch mal in Studios mit einer Band und haben da Sachen aufgenommen. Das ist meine große Liebe, das hat sich bis heute gehalten. Und de facto haben wir jetzt in der Corona-Pandemie, da ist man ja viel zu Hause und man möchte ja nicht immer nur arbeiten, da habe ich gedacht, dann reaktiviere ich doch jetzt mal das, dass ich früher so viel Musik gemacht habe, und habe mich technisch mal auf den richtigen Stand gebracht, habe mir neulich auch mal eine Gitarre gekauft. Jetzt mache ich wieder relativ viel Musik auch mit meiner Frau zusammen. Mittlerweile mache ich auch so Sachen, ich habe mal ein Stück von mir für Big Band arrangiert, das ist in der Uni aufgeführt worden. Also, ich bin da wirklich breit unterwegs und habe mir das wirklich gut bis heute erhalten.

Gerecke: Heißt das, wenn Ihre Karriere als Rektor beendet ist, starten Sie vielleicht eine neue?

Freimuth: Ja, es gibt sie sogar schon … Ich bin Mitglied geworden, ich habe wieder ein kleines Studio hier, das können Sie ja heute mit einem Rechner und ein bisschen Zubehör machen, ich bin Mitglied in so einer Social-Media-Community Produce like a Pro, weil ich ein bisschen etwas dazulernen will, was Studiotechnik und Mischen und so weiter angeht. Da gibt es auf Soundcloud auch ein paar Stücke, das sind nicht unsere Stücke, sondern das sind so Übungsstücke, mit denen man das ein bisschen üben könnte, da kann man zum Beispiel was finden von dem, was ich gemacht habe. Und wenn wir die Zeit haben irgendwann, dann könnte ich mir auch vorstellen, wir haben viele Stücke auch selber gemacht früher, dass wir die auch noch mal aufnehmen und dann auch entsprechend irgendwo ins Internet stellen. Aber das geht erst, wenn wir wirklich etwas mehr Zeit dafür haben.

Gerecke: Wir werden das auf jeden Fall aufmerksam verfolgen – und Sie vielleicht sogar googeln. Gibt es denn Hobbys, die Studierende jetzt nicht direkt hinter ihrem Rektor vermuten würden?

Freimuth: Also, inzwischen schreibe ich wieder, das habe ich früher als Schüler ganz viel gemacht, das habe ich auch in den letzten Jahren wieder reaktiviert, eben aus Corona-Gründen, aber auch davor schon, weil mein Sohn sich auch für diese Sachen sehr interessiert hat, und wir dann viel darüber geredet haben. Dann ist Kochen in der Tat eine Leidenschaft von mir. Und was ich sportlich ganz gerne mache, meine Frau und ich haben Reiseräder, wir machen manchmal ziemlich große Radtouren, die letzte sehr große war von Köln nach Passau – mit Zelt. Und ich habe noch einen Anhänger mit einem Labrador gezogen, das ist schon ganz ordentlich. Wir sind in knapp vier Wochen immerhin 1.000 Kilometer gefahren, immer die Flüsse entlang, ein Fahrrad, ich, ein Fahrrad beladen mit Zelt, dann noch einen großen Labrador hinten, da müssen Sie am Fluss bleiben, weil bergauf geht es wirklich nicht so gut. Das hat uns wahnsinnig Spaß gemacht, ich habe auch mal eine große Tour nach Schleswig-Holstein zu einem alten Schulfreund gemacht. Und ich überlege, was man … Also, in Deutschland gibt es ja Tausende an tollen Strecken, die man fahren kann, und auch europäisch gibt es ein paar Wege, die mich sehr reizen würden. Von Passau zum Beispiel weiter nach Wien, das wäre eine echte Option, da denken wir gerade drüber nach, ob wir das irgendwann demnächst mal machen.

Gerecke: An welches Erlebnis in Ihrer Studienzeit erinnern Sie sich eigentlich am liebsten, abgesehen natürlich von der Überreichung des Diplomzeugnisses?

Freimuth: Das Erlebnis während meiner Studienzeit, an das mich am liebsten erinnere, ist, als ich meine Frau kennengelernt habe. Ich habe ja gerade schon gesagt, das war im Zusammenhang damit, dass wir Musik gespielt haben, wir brauchten noch eine höhere Stimme für unsere Band, und mein Freund kannte die Sybille, dann kamen wir so in der Band zusammen. Und daraus ist dann eine Beziehung entstanden, die bis heute hält. Das war schon damals, ich habe das damals schon gespürt, dass das was ganz Besonderes ist und das ist ohne jede Frage das Highlight.

Gerecke: Was lernen wir daraus? Liebe Studierende, lernt ein Instrument, dann habt ihr sehr gute Perspektiven auf ein sehr glückliches Leben.

Freimuth: Ja, es kann einen auch vom Studium abhalten, aber ich würde trotzdem sagen, das habe ich nie … Ich habe tatsächlich etwas länger studiert, weil ich manchmal Phasen hatte, wo ich ziemlich viel Musik gemacht habe, und ich habe das ehrlich gesagt nie bedauert, weil es eben doch das Leben sehr bereichert. Ich habe immer gerne Musik gemacht und bin deswegen auch immer am Ball geblieben, weil es mir einfach auch eine tolle Abwechslung gegenüber anderen Dingen liefert. Und dann kommt man in die andere Tätigkeit, in die Wissenschaft oder jetzt als Rektor, wieder zurück mit einem frischen Kopf, weil man einfach mal wirklich etwas anderes gemacht hat. Und wenn ich jetzt Musik mache, dann denke ich eben auch überhaupt nicht an die anderen Sachen – und das tut einem manchmal ganz schön gut.

Gerecke: Und welcher Tag im Leben hat Ihnen als Rektor denn am besten getan?

Freimuth: Da kann ich ziemlich klar sagen, dass mein größter und schönster Tag war, als wir den Exzellenzstatus für die Uni Köln geholt haben. Das ist aber jetzt nicht nur wegen des Exzellenzstatus, sondern weil es eben auch so eine Zäsur war einer Entwicklung der Universität, die doch sehr positiv verlaufen ist im Laufe der Jahre. Das war so das i-Tüpfelchen, was wir da noch bekommen haben, das war ein grandioser Tag. Wir haben bei den Clustern gut abgeschnitten und dann noch als Gesamtuni den Zuschlag bekommen, Graduiertenschulen bekommen – und das war damals für mich wirklich sensationell. Das war dann sehr schade, dass wir das wieder verloren haben, aber die Gesamtentwicklung der Universität ist so gut in den letzten Jahren, wir sind jetzt wirklich auch bei dem neuen Ranking der Deutschen Forschungsgemeinschaft wirklich ganz vorne dabei, sodass ich recht zuversichtlich bin, dass angesichts dieser Gesamtentwicklung wir uns diesen Status auch wieder holen werden. Und insgesamt war das aber als Ereignis wichtig, da wurde mit großen Fahnen gezeigt, dass die Uni Köln zu den Top-Unis in Deutschland gehört.

Gerecke: Gab es etwas, was Sie besonders herausgefordert hat?

Freimuth: Ja, das war genau das, was damit zusammenhing, nämlich die Profilbildung der Universität, wirklich ein eigenes Profil zu entwickeln und dabei Spitzenforschung und Spitzenleistungen in der Lehre zu etablieren, gleichzeitig die Universität eben auch zu modernisieren, das war schon wichtig. Das war ja auch eine Zeit mit ganz vielen Reformen, bei dieser Modernisierung aber nicht das aus dem Auge zu verlieren, was uns eben auch an einer Universität so wichtig ist, nämlich die Unabhängigkeit, die Freiheit von Forschung und Lehre, das Zusammenwirken der Wissenschaft, das Hochhalten wissenschaftlicher Methodiken und so weiter. Das miteinander zu vereinen und das mit Erfolg voranzutreiben, das war für mich eine große Herausforderung. Das war auch genau das Ziel, was ich damit verfolgt habe, ich bin eigentlich sehr zufrieden mit dieser Entwicklung, die die Uni genommen hat, obwohl man ja nie fertig ist. Es gibt immer noch irgendwas, das noch besser werden kann, so ist es eben im Leben, aber das ist ja auch schön.

Gerecke: Und man muss die Chance haben, seine Ziele zu verfolgen. Das fällt den Studierenden während der Pandemie-Zeit im Hybrid-Studium-Modus nicht ganz so leicht, viele zweifeln halt. Was würden Sie Ihren Studierenden an der Universität denn raten?

Freimuth: Ich würde denen empfehlen, dass sie einfach jetzt Durchhaltevermögen zeigen und einfach hinnehmen, es gibt im Leben Durststrecken, die kommen früher oder später an irgendeiner Stelle sowieso, die kommen auch nicht nur einmal, die hat man immer mal wieder. Dann darf man einfach nicht so schnell aufgeben. Ich weiß, dass das eine große Belastung darstellt, aber das wird auch ein Ende haben. Und während dieser Zeit ist das beste, was man machen kann, nicht mit dem Schicksal zu hadern, sondern sich mit der Situation zu arrangieren. Und das heißt zum Beispiel, soziale Kontakte nicht so sehr in dem Riesenbetrieb der Uni suchen, die wird man im Moment da nicht so finden können, das kommt bald wieder, aber im Moment ist das noch schwieriger, die sucht man sich dann lieber im privaten Umfeld, wo man das mit einer kleineren Zahl von Menschen machen kann. Aber gleichzeitig einfach jetzt die digitalen und anderen Angebote der Uni wahrnehmen und im Studium drin bleiben. Ich habe schon vorhin gesagt, es ist eigentlich nicht so wichtig, ob man ein Semester schneller oder nicht ist, die sind heute alle so jung, weil eine Wehrpflicht haben sie nicht mehr, man ist heute mit dem Bachelor oder dem Master mit 23, 24 durch, da hat man gute Chancen, das zu machen. Bei mir war das Diplom, da war ich 27 oder 28, als es mal so weit war. Das ist schon so, dass man sich da keine Sorge machen muss. Und dann eben, wie gesagt, man muss da durch. Und es ist vielleicht auch eine pragmatische Herangehensweise, wenn man weiß, dass es jetzt mit bestimmten Sachen nicht so gut geht, dann macht man halt mal etwas anderes. Ich habe genau aus dem Grund gesagt, ich muss mich jetzt mit irgendetwas beschäftigen, wo ich mich auch gut mal alleine beschäftigen kann, was ich aber immer schon wollte, das mache ich eben auch gerade. Ich verzichte dafür eben auf den einen oder anderen Restaurantbesuch. Mit so einer pragmatischen Herangehensweise kommt man da durch, man sollte sich da nicht so schnell entmutigen lassen, auch wenn es mal einen Rückschlag gibt. Einen Rückschlag gibt es auch immer, das ist nicht schlimm, einen Rückschlag zu bekommen, man sollte sich davon nicht entmutigen lassen und einfach am Ball bleiben und weitermachen. Das ist meine Empfehlung, die Pandemie wird irgendwann auch … Wir kommen irgendwann wieder in einen Normalmodus, ich hoffe ja, dass das sogar in diesem Jahr noch passiert. Aber im dritten Jahr Pandemie bin ich mit Prognosen zurückhaltend.

Gerecke: Ja, ich würde Ihnen da zustimmen, ich glaube auch, dass man das dieses Jahr möglicherweise in den Griff kriegt.

Freimuth: Ja, und das andere, was wollen Sie denn machen, es gibt immer irgendwann Dinge, die … Auch die positiven Dinge kommen oft überraschend, da hat man gar nicht mit gerechnet, oder die Chancen kommen immer genau dann, wenn es gerade nicht passt, wenn man etwas anderes vorhat, aber da kann ich wirklich nur empfehlen, dass man sich eben auch nicht so schnell aus seiner Richtung rauskriegen lässt. Man muss ein bisschen flexibel sein, aber man sollte sich die Pläne, die man hatte, das, was man erreichen will, da muss man auch ein bisschen hartleibig sein und an der Sache dranbleiben und ein bisschen robust, wenn es irgendwie geht. Und wenn das nicht geht, wenn man Schwierigkeiten hat, dann kann ich auch nur jedem und jeder empfehlen, sich Unterstützung zu holen und mit anderen darüber zu sprechen und Wege gemeinsam zu suchen, wie man trotzdem weitermacht. Die Uni unterstützt sehr, wir bemühen uns zumindest sehr, mit den Studierenden zusammenzuarbeiten in dieser schweren Zeit – und das tun wir, glaube ich, auch ganz erfolgreich. Und Sie bieten Unterstützungen im Studierendenwerk, es gibt Bekannte und Freunde, die man hat, die unterstützen. Also, das ist eine blöde Zeit im Moment, aber das hört auch irgendwann wieder auf.

Gerecke: Blicken wir mal 100 Jahre voraus, also in die Zukunft. Wie könnten die Lehre und das Studium in Ihrer Vorstellung denn dann aussehen?

Freimuth: Ich glaube schon, dass das noch ein guter Teil von dem, was wir heute als Normalbetrieb einer Uni, Präsenz mit Seminaren, Diskussion und Forschungsarbeit im Labor, das wird alles in der einen oder anderen Weise so bleiben, aber ich glaube, dass das Angebot insgesamt sehr viel breiter, flexibler und auch von den Formaten her flexibler wird. Ich glaube, dass es viel mehr digitale Angebote geben wird, ich glaube, dass Distanzlernen für alle eine größere Rolle spielen wird, das ist ja heute schon zu beobachten, dass Studierende, die bei uns ein Fach studieren, an einer amerikanischen eine andere Sache noch nebenbei in einem Onlinekurs belegen. Ich glaube, dass das sehr zunehmen wird. Ich glaube auch, insgesamt die Vernetzung, auch das sieht man jetzt schon entstehen, dass wenn man eingeschriebener Student an unserer Uni ist, gibt es eine ganze Reihe von Partneruniversitäten in Europa, an denen man jetzt schon relativ problemlos auch Kurse besuchen kann, und zwar sowohl digital als auch real, indem man dahinfährt. Diese internationale Vernetzung wird zunehmen, und insgesamt die Vielfalt von Lernangeboten und auch die Vielfalt von Abschlüssen wird zunehmen. Ich glaube, dass die Bildungsbiographien sich aus verschiedenen Teilen stärker zusammensetzen werden, dass dort die Flexibilität insgesamt größer wird. Und eigentlich ist das ein Gewinn, weil natürlich kann dann jeder und jede vielleicht auch die Kombination finden, für die sie sich besonders interessieren oder die besonders zukunftsträchtig sind. Insofern glaube ich, die Universität ist ja ein wirkliches Erfolgsmodell, die gibt es schon echt lange, fast 1.000 Jahre die älteste, und die Kölner Uni jetzt deutlich über 600 Jahre. Also die sind schon sehr wandlungsfähig und nehmen solche Strömungen auf, ich sehe das wirklich als Bereicherung. Genauso glaube ich, dass das, was wir jetzt digital gelernt haben, wenn wir wieder in die Präsenz gehen, dann wird dieses ganze Digitale, die gesamte Vernetzung, die daraus erwächst, und die neuen Formate, das wird die Lehre extrem bereichern an der Universität. Und wir haben viele Universitäten in Deutschland, es gibt Gegenden in der Welt, wo es ganz wenige nur gibt, da werden die Leute sehr viel stärker auf digitale Formate der Bildung setzen, deswegen alleine schon glaube ich, dass das eine Entwicklung ist, die die Zukunft bringen wird.

Gerecke: Ich fasse zusammen, mehr Flexibilität, mehr digitale Studiengänge, heißt: In Köln Physik studieren, im Studierendendorf Hürth-Efferen wohnen und vielleicht gleichzeitig in Cambridge Philosophie studieren – mehr Möglichkeiten und Chancen durch Vernetzung.

Freimuth: Ja, irgendwas suchen, was man eben doch machen kann und was auch Spaß macht. Und man muss es ja nicht alleine machen, das ist eigentlich ja nicht das Problem, mit ein paar Leuten was zusammen zu machen. Wenn man sich auf die verlassen kann, ich bin ja auch nicht ganz alleine, mein Sohn kommt hierhin, bringt seine Freunde mit, meine Frau ist auch hier. Natürlich sind wir vorsichtig und richten uns nach den Regeln, aber man kann schon … Nur auf Biegen und Brechen jetzt etwas zu machen, was den Empfehlungen in so einer Zeit genau entgegensteht, ist vielleicht nicht so eine gute Strategie. Das sollte man dann machen, wenn es wieder geht. Eine Weltreise jetzt zu machen, ist vielleicht ein bisschen anstrengend, weil man dauernd die Probleme hat, dass man nicht irgendwo reinkommt, sich anderen Richtlinien unterziehen muss. Aber ein Instrument zu lernen, das ginge ganz hervorragend zum Beispiel.

Gerecke: Vielen Dank, dass Sie sich heute mit dem Kölner Studierendenwerk vernetzt haben. Wir werden von Herrn Professor Freimuth auf jeden Fall noch einiges zu hören bekommen, darauf freue ich mich schon, sage danke und auf Wiedersehen!

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